Ein Vorwort
- von Julia Maria Spielvogel, Gabriele Wimböck und Astrid von Creytz
Das Thema Wald hat uns in den letzten Monaten immer begleitet, von den Protesten im Hambacher Forst über die verheerenden Waldbrände in Kalifornien bis zur wachsenden Sorge um die Abholzung der globalen Regenwälder. Es klingt vielleicht ein wenig absurd, sich angesichts der Klimaproblematik, die im Zuge von Unwettern und Dürre nun auch die deutschen Wälder erreicht hat, mit der Ästhetik des Waldes zu beschäftigen. Wenn man jedoch die Begrifflichkeiten ein wenig verschiebt hin zu „Waldwahrnehmung“, dann ist man wieder beim eigentlichen Kern der Sache: Nur was ich wahrnehme, kann ich wertschätzen und nur was ich wertschätze, werde ich schützen. So ist es auch wenig verwunderlich, dass forstwissenschaftliche Studien wie „Stadtwald 2050“ (TU München) mit quantitativen und qualitativen empirischen Methoden herauszufinden versuchen, was einen Wald ausmacht, der von den Waldbesuchern als „schön“ empfunden wird.
Eine in diesem Zusammenhang entstandene forstwissenschaftliche Bachelorarbeit, die Waldbesuchern anhand von Bildbeispielen aus dem Ebersberger Forst unter anderem die Frage stellte, welcher Wald schön sei, war dann auch die Initialzündung für Julia Maria Spielvogels Interesse an der Bedeutung dargestellten Waldes in Gemälden, das ihre eigene Bachelorarbeit zur sympathetischen Landschaft in den Werken Albrecht Altdorfers prägte.
Als im folgenden Semester ihres Doppelstudiums Kunstgeschichte/Lehramt Kunst, die künstlerisch-kunstpädagogische Projektarbeit bei Astrid von Creytz anstand, brachte sie das Thema Wald mit ins Seminar, wo es sofort großen Anklang fand. Die Seminarteilnehmer meinten, dass die Suche nach einer Ästhetik des Waldes auch ein höchst spannender Impuls für das Erstellen zeitgenössischer künstlerischer Arbeiten wäre. Also begannen die Studierenden der Kunstpädagogik auf ihre Weise zu forschen. Sie wollten einen anderen Weg gehen und „Waldästhetik“ individuell mit künstlerischen Mitteln erschließen und für sich definieren sowie in einem zweiten Schritt über ihre Arbeiten mit den Ausstellungsbesuchern in einen Dialog treten.
Durch das Interesse, diese Frage neben der forstwissenschaftlichen Perspektive ebenso aus Sicht angehender KunstlehrerInnen beantwortet zu bekommen, erhielt die universitäre Projektgruppe die rege Unterstützung des Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Nach der kunstgeschichtlichen Vorarbeit lag es nahe, beim Institut für Kunstgeschichte um Mitarbeit an Ausstellung und Katalog anzufragen und konnte Dr. Gabriele Wimböck gewinnen. Der wiederum gelang es, in relativ kurzer Zeit ein Konzept für ein begleitendes Seminar zu entwickeln.
Zwei gemeinsame Veranstaltungen fanden statt: Eine gleich zu Beginn des Wintersemesters, als sich zum ersten Mal die Kunstprojekte und die ausgewählten Beispielwerke aus der Kunstgeschichte begegneten und die zweite in Form einer Waldführung durch Mitarbeiter der Bayerischen Forstverwaltung. Von da aus ging es getrennt weiter. Die Kunstpädagogik kümmerte sich um die Organisation der Ausstellung, Öffentlichkeitsarbeit, Ausstellungschoreografie und Vermittlungskonzept.
Die Kunstgeschichte verfolgte indessen eine ‚Kleine Kunstgeschichte des Waldes‘. Die Teilnehmer des gleichnamigen Seminars bereiteten Beiträge zu historischen Beispielen vor, die inhaltlichen Bezug zu den Arbeiten des Ausstellungsprojekts hatten und zugleich wesentliche Momente der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Thema ‚Wald‘ in der Geschichte der Kunst abbildeten.
Beginnend mit Altdorfers Gemälde Waldlandschaft mit Hl. Georg wird hier bis ins 20. Jahrhundert hinein eine Reihe von Werken vorgestellt, mit denen ingesamt eine deutliche gedankliche und künstlerische Zäsur einhergeht. Nicht zufällig ist das 19. Jahrhundert stark vertreten, das zunächst in der Romantik und dann in der realistischen (Freilicht-)Malerei dem Gegenstand einige neue Ansichten abgewinnen konnte. Wobei die Künstler der Frühen Neuzeit zuvor schon den Wald zu einem eigenständigen erhoben hatten; zu nennen sind hier das Waldstilleben (Sottobosco) oder die (niederländische) Waldlandschaft. Gemeinsam ist der Auswahl schließlich ein Schwerpunkt auf dem nordalpinen Bereich, für den man auch vom heimischen oder deutschen Wald sprechen könnte, wenn die Begriffe bzw. damit verbundenen Konzepte keine Vorgeschichte und historische Last hätten. Auch wenn eine umfassende Überblicksdarstellung des Waldes in der Kunst noch nicht geschrieben wurde ist die Literaturlage günstig, widmeten sich doch vor allem Ausstellungen in jüngerer Zeit verstärkt dem ‚Mythos‘ und Gegenstand ‚Wald‘. Der kunsthistorische Blick in diesem Projekt folgte -anknüpfend an die kunstpädagogischen Arbeiten - vergangenen Formen der Wald-Wahrnehmung, ihren Symboliken und Lesarten. Von anderen Beiträgen dieser Ausrichtung unterscheiden dürfte die Einzelanalysen in diesem Katalog, dass sie sich dank der engen Kontakte zu Ministerium und Forstamt der botanischen und forstwissenschaftlichen Details der jeweiligen Darstellung vergewissert haben.
Die Beiträge verstehen sich als schlaglichtartige Bereicherung eines jeweiligen Grundthemas um eine historische Perspektive. Daher haben sie Grenzen in ihrem Umfang, aber auch zur aktuellen Kunst, die durch die künstlerischen Arbeiten der Projektgruppe vertreten sein soll.
Das fast schon zyklisch wiederkehrende Interesse seitens Kunst und Kunstgeschichte folgt einer allgemeinen, gesamtgesellschaftlichen Verschiebung der Aufmerksamkeit auf das besondere Ökosystem – so war es in den 80er Jahren die Sorge um die Wälder im Sauren Regen, so geschieht es aktuell hinsichtlich der (Wieder-)Entdeckung der Naherholungs- und 'Wellness'-Effekte des Waldes.
Will man die diese einem größeren Denkrahmen zuordnen, könnte man das aktuelle Ausloten einer ‚Wald-Ästhetik‘ als einen von mehreren Versuchen der zeitgenössischen Kunst verstehen, adäquate Antworten auf das „Anthropozän“ zu finden, das Zeitalter des Menschen, mit dessen immer massiver werdenden Einflussnahme auf die Natur mit den lange prognostizierten und mittlerweile spürbaren Konsequenzen wie Artensterben oder Klimawandel. Wobei sich hier aktuellen kunsthistorischen Einschätzungen zufolge vier Positionen oder Bezugnahmen ausmachen lassen: Die Suche nach der Grenze von Natur und Kultur oder das Erschaffen neuer artifizieller Naturen im Kunst-Kontext, die Beschäftigung mit Repräsentationen von Natur in der Tradition von Enzyklopädien, naturhistorischen Museen und Archiven, Natur als Folie für ästhetisch-künstlerische Formfindungen à la Karl Blossfeld und der Versuch Naturerfahrungen zu simulieren und über alle Sinne nachvollziehbar zu machen.
Auch die hier vorgestellten studentischen Kunstprojekte operieren innerhalb dieses breiten Spektrums von individuellen Natur-Wahrnehmungen. Schließlich muss künstlerische Beschäftigung mit Natur keinem Universalitätsanspruch genügen und kann auf dieser Basis „auch eine Sensibilität auf Zukünftiges hin entwickeln, anstelle einer Schwärmerei über die Vergangenheit“.
Comments